Inhalt:
Einleitung
In weiten Schleifen windet sich der Fluss durch die sandige Landschaft, vorbei an bunten Wiesen, Wacholderhainen und gelb blühenden Ginsterbüschen. Vor dem dunklen Hintergrund des Eichenwaldes blitzt das blauschimmernde Gefieder eines Eisvogels auf. Der Gesang der Heidelerche schwebt in der Luft. Auf Sandflecken zwischen Silbergras nutzt eine Zauneidechse die Wärme der Frühlingssonne.
Man mag bei der Beschreibung dieser Landschaft an weite, unberührte Natur denken, fernab jeder Zivilisation – doch wir befinden uns mitten in Nordrhein-Westfalen, nahe der am dichtesten besiedelten Region der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich um den FFH-Gebietsvorschlag "Untere Lippeaue" am Niederrhein im Kreis Wesel.
In Nordrhein-Westfalen gibt es trotz der hohen Bevölkerungsdichte natürliche und naturnahe, aber auch wertvolle kulturgeprägte Lebensräume, sowie Pflanzen- und Tierarten, für die wir eine europaweite, zum Teil sogar weltweite Verantwortung tragen. Beispiele dafür sind die zwischen dem Niederrhein und Sibirien wandernden arktischen Wildgänse, die ausgedehnten heimischen Buchen- und Stieleichen-Hainbuchenwälder oder die Schwermetallrasen mit dem weltweit einzigen Wuchsort des Westfälischen Galmei-Veilchens.
Diese Lebensräume, Pflanzen- und Tierarten sind Bestandteil grenzüberschreitender, europäischer Landschaftsräume mit einer einzigartigen biologischen Vielfalt. Ihr Schutz und ihre Erhaltung kann nur erfolgreich sein, wenn über die politischen Grenzen hinaus gehandelt wird.
Derzeit wächst Europa politisch zusammen. Der eiserne Vorhang gehört der Vergangenheit an, und durch die Bemühungen um gemeinsame sozial- und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind die Menschen in Europa näher zusammengerückt als jemals zuvor in der Geschichte. Sie haben erkannt, dass man sich den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur durch eine staatenübergreifende Zusammenarbeit und in gemeinsamer Verantwortung stellen kann. Dazu zählen auch der Schutz und die Bewahrung des gemeinschaftlichen europäischen Naturerbes.
Die bisherigen Strategien gegen das Artensterben, wie zum Beispiel die Ausweisung von Naturschutzgebieten oder gesetzliche Nutzungseinschränkungen haben schon viel bewirkt, sich aber insgesamt als unzureichend erwiesen. Koordinierte staatenübergreifende Schutzmaßnahmen auf größeren Flächen – in Verbindung mit umweltverträglicheren Nutzungen – sind erforderlich.
Diese Erkenntnis führte 1992 bei der Welt-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro zur Verabschiedung von zwei wichtigen Dokumenten: der etwa 300 Seiten starken Empfehlung "Agenda 21" mit dem Ziel "wise use", im Sinne einer "nachhaltigen Nutzung", und der "Konvention zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt".
Parallel dazu wurde in Europa die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) von den Ministern aller Mitgliedstaaten der EU einstimmig beschlossen. Diese Richtlinie wird zusammen mit der Vogelschutz-Richtlinie europaweit das Kapitel 15 der Agenda 21 über die Erhaltung der Biologischen Vielfalt und die ebenfalls in Rio beschlossene "Konvention zur Erhaltung der Biologischen Vielfalt" umsetzen. (Die vollständigen Titel der Richtlinien finden Sie im Anhang.) Bis zum Jahr 2004 soll dazu ein zusammenhängendes Netzwerk besonderer Schutzgebiete in der Europäischen Union errichtet werden. Dieses Netzwerk trägt den Namen "NATURA 2000" und setzt sich aus bedeutenden Rückzugsgebieten europaweit gefährdeter Lebensräume, Pflanzen und Tiere zusammen.